Homilie zum Wochenende „Gregorianik in motu trifft Tilman Riemenschneider“

Creglingen (Frauental), den 6. April 2013

von Pfarrer Alexander Beck

Liebe Konventuale!

Wir haben eben eine Lesung gehört aus dem zweiten Buch Mose (Kap 35, 30 -36,1), eine kurze Lesung, und so war da nicht viel zu erkennen, so auf das erste Hören. Nun gut, den meisten wird aufgefallen sein, daß es dabei um Handwerker, besser Kunsthandwerker, besser Künstler ging, um Leute, die fähig sind mit wertvollen Stoffen, Edelsteinen, Gold und Holz kunstreich zu arbeiten. – Na und wir beschäftigen uns ja dieses Wochenende mit einem solchen Menschen, der mit Holz und Stein kunstreich arbeiten konnte, mit Tilman Riemenschneider; insofern paßt das ja.

Und was wurde nun über diese Kunsthandwerker, diese Künstler gesagt, auch wenn sie nicht Riemenschneider heißen, sondern Bezalel und Oholiab?

Zunächst einmal das, was wir schon immer bei Menschen vermutet haben, die etwas Besonderes, etwas sehr Schönes zu Stande bringen, nicht nur bei Kunsthandwerkern und bildenden Künstlern, wie eben unser Bildhauer Riemenschneider, oder ein Maler, sondern auch bei Tonkünstlern, Musikern, Komponisten, Sängern und Kantoren – , oder auch bei Wortkünstlern: Erzähler, Dichter und Denker. Sie sind, wie wir wie gesagt umfassend vermuten, eigens von Gott dafür ausersehen, sie sind, wie die Bibel das ausdrückt, erfüllt mit dem Geist Gottes, daß sie weise, verständig und geschickt seien. Von einer Gottesgabe ist hier also die Rede, von einem wirken des Geistes Gottes, von einer Geistesgabe. Und das ist mehr als das, was wir für gewöhnlich, und oft etwas gedankenlos, begabt nennen. Denn es betrifft nicht nur eine bestimmte Fertigkeit, sondern umfaßt neben dem Geschick (das man sich eben auch mit viel Fleiß und Mühe erwerben muß) auch Weisheit und Verstand.

Aber auch das ist noch nicht alles, all mein Wissen, all meine Fertigkeit – und seien sie von Gott gegeben – machen noch nicht einen solchen Künstler, der für große Aufgaben geschickt ist, es bedarf des Geistes Gottes dazu. Von Gottes Geist muß ich beseelt und erfüllt sein, wenn ich der Aufgabe gerecht werden soll.

Ohne den Geist geht nichts so recht. Wir merken das heutzutage vielleicht in besonderer weise, weil uns Maschinen und Computer zur Verfügung stehen, die allesamt recht geschickt sind für so manche Arbeiten, aber ihre Produkte sind nun mal nicht beseelt; das maschinell Hergestellte vermag nicht zu erheben, zu erbauen, zu begeistern. – Ein maschinell geschnitztes Engelchen ist kitschig und tot, ein von Riemenschneider im rechten Geist geschnitzter Engel lebt und fliegt und begeistert uns.

Und damit wären wir bei dem zweiten Punkt, der aus unserer Lesung heute von Bedeutung ist. Denn Bezalel, Oholiab und die anderen waren zu einem ganz bestimmten Zweck, für eine ganz konkrete Aufgabe von Gott, dem Herrn, mit seinem Geist erfüllt und mit Weisheit, Verstand und Geschick begabt worden. In unserem kleinen Abschnitt hieß es da nur: zum Dienst des Heiligtums, denn von Bezalel und den anderen war schon vorher die Rede und da wurde in aller Ausführlichkeit gesagt, welche Aufgabe ihnen zufallen sollte.

Wir wissen ja, daß im zweiten Buch Mose vom Auszug der Israeliten aus Ägypten erzählt wird (mit den 10 Plagen und dem Wunder am Schilfmeer und allem, was dazugehört). Und dann, so wird uns berichtet, schließt Gott mit seinem Volk in der Wüste einen Bund und gibt ihnen Weisungen zum Leben, das sind die 10 Gebote, aber nicht nur diese zehn, sondern noch weitere Regeln zum Zusammenleben mit den Menschen, aber auch und besonders ausführlich Regeln zum Zusammenleben mit Gott und als Volk Gottes, also religiöse Vorschriften. Im Grunde reden ja auch die zehn Gebote davon (du sollst den Feiertag heiligen, zum Beispiel).

In den weiteren Vorschriften also wird bis ins Detail die Ausstattung des Gotteshauses geregelt. Entsprechend der Situation, daß sich das Volk auf der Wanderung durch die Wüste befindet, ist dieses Gotteshaus eher als ein bewegliches Zelt vorgestellt -Stiftshütte wird es genannt. Aber die Ausstattung ist reich und aus vornehmstem Material, alles wird mit Gold überzogen.

Aber Gold allein reicht nicht; das wissen wir schon, es braucht den Geist Gottes, Gold allein reicht nicht. Das hatte das Volk Israel sogar ausprobiert: Als Mose zu lange ausblieb, weil er von Gott die Gebote empfing, hatten sie sich einen Gott aus Gold schaffen wollen, das goldene Kalb!

Da entbrannte Gottes Zorn über sein Volk und er wollte es vernichten. Doch

  • die Reue des Volkes

  • die Fürbitte des Mose

  • und Gottes Treue, Gnade und Barmherzigkeit

bewirkten, daß Gott sein Volk nicht vernichtet hat. Im Gegenteil, mit der Stiftshütte schafft er einen Ort, an dem sich das Volk und Gott begegnen können, trotz der Trennung durch das goldene Kalb und das Verhalten des Volkes. Und für diesen Ort der Gottesbegegnung hat Gott die Künstler berufen und begabt; er hat sie mit seinem Geist erfüllt und sie mit Weisheit, Verstand und Geschicklichkeit begabt.

Den Ort der Gottesbegegnung sollen die Künstler gestalten, dazu sind sie von Gott berufen und begabt. Und Gott läßt nicht ab von seinem Wirken, er beruft und begabt und erfüllt mit seinem Geist unablässig Menschen, auf daß wir teilhaben an seiner Kreativität (übersetzt heißt Kreativität nämlich Schöpferkraft). Und so dient jede wahre Kunst, selten ist der Kitsch dazu geeignet, so dient jede wahre Kunst letztlich der Begegnung mit Gott.

In der Schönheit der Kunst, in ihrem erhebenden Effekt, in ihrer Wirkung, daß wir uns darin verlieren und verlieben können, begegnen wir Gott, dem Gott, der so anders, der so viel reicher ist als unsere Alltagswelt.

Gott hat Bezalel und Oholiab mit seinem Geist erfüllt, er hat Tilman Riemenschneider mit seinem Geist erfüllt, er hat die namenlosen Komponisten unserer herrlichen Gesänge mit seinem Geist erfüllt und wir merken, in ihren Kunstwerken ist so viel Geist, daß auch wir von diesem Geist Gottes erfüllt werden können, wenn wir den Bildwerken unsere Augen und den Gesängen unsere Stimmen leihen.

Freilich, mit Kucken und Singen allein ist es nicht getan – Gold allein reicht nicht – doch sehen und singen, beten und glauben wir auch nicht nur mit Auge und Mund, Hand und Ohr allein, sondern von ganzem Herzen, von ganzer Seele und von ganzem Gemüt. Und da wirkt Gottes Geist in uns und durch uns, wie eben bei allen großen Künstlern.

Amen.

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