Die kleine „Zeitung“ mit Informationen über Haiti und unsere Arbeit in Léogâne,
von Marie-Josée und Franz Groll
Ausgabe 4 – 29.5.2011
Liebe Freundinnen, Freunde, Bekannte und Alle die sich für Haiti interessieren…
Schon wieder sind 2 weitere, ereignisreiche Monate wie im Flug vorübergegangen.
Beim Projekt ging es bei den Bauarbeiten weiter gut voran. Über das Ergebnis der Bodenuntersuchung erhielten wir schon 2 Wochen nach der Untersuchung ein positives Vorabergebnis, so dass wir ohne weitere Verzögerung am 11. April mit dem Gebäude 1 beginnen konnten. Dies hat es ermöglicht, dass wir noch einige Wochen die ganze Mannschaft von fast 70 Arbeitskräften beschäftigen konnten.
Im Einzelnen ist der Stand der Dinge wie folgt:
Beim zuerst begonnenen Gebäude 2 sind die Maurerarbeiten seit dem 2.April abgeschlossen. Die Dachkonstruktion konnten wir noch nicht ausführen, da der Container mit dem Holz noch im Zoll steckt. Z.Z. werden die Stahltüren und die Fenstergitter gefertigt.
Das Gebäude 3, mit dem wir am 24.Februar begonnen haben, sind die Maurerarbeiten, einschließlich dem Verputz, seit dem 30.April abgeschlossen. Auch hier warten wir sehnlichst auf die Freigabe eines weiteren Containers mit Holz aus dem Schwarzwald, damit wir auch da die Dachkonstruktion machen können.
Beim Gebäude 1 haben wir in den letzten 7 Wochen das Erdgeschoß gebaut und das erste Viertel der Decke ist betoniert. In diesem Teilbereich werden z.Z. die Mauern der 2. Etage errichtet. Für mehr als die Hälfte der Decke sind die Deckenelemente bereits gegossen, in der kommenden Woche werden wir für ein weiteres Stück der Decke die Elemente auflegen und den Überbeton aufbringen.
Das Auflegen der Deckenelemente mit dem Bagger war sehr schwierig, da der Bagger im Gegensatz zu einem Kran keine linearen Bewegungen machen kann und die Höhe und Reichweite für die 2. Plattenreihe gerade noch ausreichend war. Mit zunehmender Routine ging es aber ganz gut. Die erste Platte wurde jedoch beschädigt, so dass wir uns entschlossen haben, sie nicht zu verwenden.
Die Herstellung der Deckenelemente verläuft weiterhin gut, wir haben in dieser Woche sogar an einem Tag 2 Deckenelemente gegossen. Aufgrund einer Information der Herstellerfirma des Betoniertisches haben wir es gewagt, schon nach 8 Stunden das Deckenelement abzuheben – es ging gut. Wir werden jetzt von Montag bis Freitag täglich 2 Platten herstellen und dadurch die Fertigstellung des Gebäude 1 um etwa 12 Tage beschleunigen. Dennoch bleibt die Herstellung der Deckenelemente ein Engpass, da wir ja nur einen kleinen Betoniertisch mit 5,5 m Länge haben. Wir mussten deshalb am 17. Mai 27 Arbeitskräfte darum bitten, zu pausieren.
Sie konnten seit Mittwoch dieser Woche wieder für ein paar Tage arbeiten, da wir mit dem Wohnhaus begonnen haben. Hier sind die Fundamente aus Natursteinmauerwerk schon fertiggestellt und die Armierung für die Beton-Streifenfundamente ist fast fertig.
Diese zweite „Baustelle“ konnten wir eröffnen, weil wir seit dem 23. Mai den Technischen Direktor des CCFPL bei uns haben, Bauingenieur Kesnel Paris aus Jérémie. Er ist der Sohn von Boss „Blanc“ und der Neffe von Boss Bergmann. Mit diesen beiden habe ich in Jèrémie alle Gebäude errichtet und Boss Bergmann ist hier in Léogâne der „Kappo“. Kesnel ist voller Tatendrang und packt auch selbst zu, auf dem Bild schüttet er gerade einen Eimer Zement in den Betonmischer.
Am 1. Mai haben wir die Fertigdeckentechnik mit einem kleinen Deckenelement mit einer Länge von 1,8 m und einer Breite von 0,6 m bei der traditionellen Ausstellung in Jacmel präsentiert. Das Interesse war sehr hoch, es waren fast dauernd 6 bis 10 Personen an der Platte und ließen sich die Technik von unseren Herren Bergmann und Wilson erklären. Möglicherweise gibt es schon bald einen ersten Auftrag durch das schweizerische Rote Kreuz, sie benötigen Betonplatten für den Bau von Latrinen.
Bei der Gründung der Association (Verein) MARK (Men ansanm pou rekonstwi kay; das heißt: Hände zusammen für den Wiederaufbau der Häuser) gibt es ebenfalls Fortschritte.
Am 15.5.2011 wurde die Association gegründet. Anfang Februar hatte ich hierzu einen Denkanstoß gegeben. Eine Arbeitsgruppe von etwa 14 Personen hat in 7 Sitzungen die Zielsetzung, den Namen und eine Satzung erarbeitet. Danach wurden für die Gründung der Association weitere Familien und Alleinstehende angesprochen. Bei der Vorstellung der Association am 8.5. waren 86 Personen anwesend. Am 15.5. kamen 156 Personen zur Gründung der Association. Es wurden zunächst noch einmal die Ziele der Association und die Satzung vorgestellt. Nach einigen Rückfragen wurde die Satzung in der vorliegenden Form angenommen. Danach fanden die Wahlen des Comité de Gestion (Vorstand) statt. Es wurden durchweg sehr gute Kandidaten und eine Kandidatin gewählt.
Ziel der Mitglieder ist es, ihre Häuser in den nächsten 3 bis 4 Jahren selbst gemeinsam zu errichten. Da sie aber kein Geld haben, um die Baumaterialien zu kaufen, wird die Association bei internationalen Hilfsorganisationen die Finanzierung der Baustoffe anfragen.
Es sollen jetzt die Materialkosten für ein Haus mit etwa 50 m² Wohnfläche ermittelt und dann die Finanzierung beantragt werden. Bis jetzt liegen 3 Grundrissvorschläge vor. Für einen habe ich heute die Materialkosten berechnet. Es werden etwa 6500 € pro Haus benötigt.
Wenn alle etwa 250 000 zerstörten Häuser (inoffizieller Schätzwert) so bezuschusst würden, wären etwa 1,6 Mrd € erforderlich. Das ist weit weniger, als bisher veranschlagt wurde. Wir sind zuversichtlich, dass das Projekt von namhaften Organisationen unterstützt wird.
Zum Schluss gibt es wie immer auch ein paar private Nachrichten:
Die Familie Groll hat in Léogâne Zuwachs bekommen – Michael ist am 29.April zu uns gestoßen. Er wird dafür sorgen, dass von Anfang an die Ausbildung der Schreiner und die Produktion der Türen einen hohen Qualitätsstandard erreichen.
Nebenbei bemüht er sich auch den Haitianern mehr Umweltbewusstsein beizubringen. Wir trennen jetzt den Müll (Biomüll wird kompostiert, Metall gesammelt und Papier und Plastik vorläufig noch verbrannt) und es werden die Batterien gesammelt, die bis jetzt einfach weggeworfen wurden.
Marie-Josée ist auch wieder da, sie war vom 1. April bis Ostern bei ihrer Schwester, da ihr Mann plötzlich und unerwartet an einem Herzversagen verstorben ist. Auch ich war bei der Beerdigung, bin aber am 3. April gleich wieder zurückgeflogen.
Marie-Josée wird in den nächsten Tagen mit einem Alphabetisierungskurs für Frauen beginnen, 20 Frauen haben dafür Interesse bekundet.
Und nun noch eine etwas ungewöhnliche Geschichte:
Für das Auflegen der Deckenelemente für den Balkon (Zugang zu den Räumen im Obergeschoß) und für die 2. Reihe der Deckenelemente müssen wir mit dem Bagger über das Nachbargrundstück fahren. Das erschien als problemlos, da das Nachbargrundstück seit 2 Jahren brach lag. Vor 4 Wochen wurde es aber umgepflügt und mit Mais, Bohnen und Zuckerrohr angebaut. Etwa ein Duzend unserer Bauarbeiter haben auf dem sehr großen Grundstück von etwa 1,5 ha als Unterpächter ein Stück bepflanzt.
Der Grundstücksbesitzer und der Pächter haben uns erlaubt, auf den ersten 3 m direkt an der Grundstücksgrenze entlang mit dem Bagger hereinzufahren. Zunächst hat er dafür nicht einmal etwas verlangt, obwohl dadurch etwa 3 ar nicht bepflanzt werden können.
Nun hat der Besitzer ausrichten lassen, dass er doch gerne eine Entschädigung hätte, hat aber keinen Preis genannt, ich solle ihm sagen, was es mir wert sei. Ich bot ihm 5 000 Gourdes an, was knapp 100 € sind.
Am nächsten Tag kam der Pächter und sagte, 5 000 Grds sei zu viel, der Besitzer sei mit weniger zufrieden und nannte einen Betrag von etwa 60 €.
Jetzt versteht ihr bestimmt, warum wir uns hier wohl fühlen, obwohl es natürlich auch weniger angenehme Dinge gibt, jetzt vor allem die steigenden Temperaturen und die erhöhte Luftfeuchtigkeit. Die Dankbarkeit der Menschen lässt uns das weniger Angenehme vergessen und gibt uns die Kraft, die wir für diese Aufgabe benötigen.
Ganz herzlich bedanken möchten wir uns auch für die schriftlichen Grüße von euch aus der Heimat. Wenn mal eine Antwort etwas länger dauert, oder vielleicht mal gar nicht kommt, dann bitten wir dies zu entschuldigen.
Mit ganz herzlichen Grüßen und großem Dank an alle
Marie-Josée, Michael und Franz